FSV: Beim Anpfiff war der Tag gelaufen

Details

24 Stunden vor dem Anpfiff des Spiels gegen den FSV Franfurt sitze ich etwas ratlos vor dem PC und versuche mir im Nord-Support-Forum die Details für die geplante Choreo vor Augen zu führen. Vielleicht hätte ich auf den Gruppentreffen genauer zuhören sollen. Aber da der Termin immer in ferner Zukunft zu liegen schien machte ich mir keine Sorgen, dass meine Vorstellungen von dem Gesamtkunstwerk eher verschwommen waren.


Und jetzt ist es fast zu spät. Immerhin gibt es im internen Forum eine ziemlich gute Beschreibung und einen detaillierten Arbeitsplan, in den ich mich eintrage. Einen Doppelhalter werde ich ja wohl noch hochhalten können – und beim Aufbau wird auch ein Anlernling sicher noch gebraucht.

Kaum habe ich mich in der Arbeitsliste verewigt, kommt eine Anfrage aus der Choreogruppe. Ob ich mich um die Verteilung der Ballons auf den Nord-Sitzplätzen kümmern könnte. Scheiße. Damit hätte ich eigentlich rechnen können. Schließlich bin ich bei Nordsupport der einzige Sitzer. Diesmal habe ich mein Ticket blöderweise gegen einen Stehplatz getauscht, um besser helfen zu können. Nun erscheinen mir die Zutrittsmöglichkeiten zu den Sitzplätzen eher vage. Dumm gelaufen.

Aber wozu hat man Freunde? Rasch per Mail einen Hilferuf an meine Bezugsgruppe auf den Sitzplätzen abgesetzt, und die Sache ist geregelt. Denke ich. Zehn Stunden später bin ich nicht mehr so sicher. Kaum Reaktionen, und dann noch mehr Ab- als Zusagen. Vielleicht hätte ich mal früher fragen sollen.

Am nächsten Morgen kurz vor 11 Uhr trifft sich die Aufbaugruppe am Afm-Container.Selbst die Leute, die mit studentischer Nonchalance auch mal eine dreiviertel Stunde später aufschlagen sind pünktlich. Die Bänke und Tische am Nordsupport-Container sind schnell aufgebaut.

Bei den Vorbereitungsarbeiten in der Kurve zeigt sich, dass die Choreogruppe ihre Hausaufgaben gemacht hat. Es gibt Schemazeichnungen und sogar schriftliche Arbeitsanweisungen für jeden einzelnen Job. Zuerst werden die Flatterbänder angebracht, entlang denen die roten Stoffbahnen zwischen Spielfeldrand und  oberster Sitzreihe laufen sollen. Din-A4-Zettel markieren die Farbgrenzen zwischen weißen und braunen Ballons.

Ach je, die Ballons. Ich gehe zum Container, bei dem ich mit meinem spärlichen Verteilertrüppchen für die Sitzplätze verabredet bin.

„Wann kommen Deine Leute denn?“, fragt unser Koordinator. Ich entschließe mich, die Frage mal zu überhören. Immerhin gelingen mir während der Wartezeit ein paar Spontanrekrutierungen, so dass ich meine Versagensängste langsam verliere. Schließlich macht sich meine kleine Gruppe mit fünf Tüten voller Luftballons auf zum Sitzplatzbereich, die ich dank netter und gut gebriefter Ordner mit Stehplatzticket betreten kann.

„Luftballons erst beim Herzen von St. Pauli verteilen. Sonst sind die Ballons weg, bevor es losgeht“, lautete die klare Ansage. Aber kann man wirklich so viele Ballons in so kurzer Zeit verteilen auf den Sitzplätzen? Zumal Nordsitzer keine Nordkoreaner sind und das „Herz“ bei vielen als Aufbruchszeichen vom Bierstand hin zum Sitzplatz gilt.

Auf den Stehplätzen läuft es jedenfalls am Schnürchen. Die Doppelhalter stehen da, wo sie stehen sollen. An der Schnittstelle zwischen Sitz- und Stehplätze liegen die Stoffbahnen bereit.

Ich traue mich nicht aus dem Sitzblock, auch wenn ich am Doppelhalter erwartet werde, und nutze die Zeit, ein paar Leute in der Nähe der Stoffbahnen darüber zu informieren, was hier gleich abgeht. Und jetzt das Herz von St. Pauli. Ich lege einen Frühstart hin, schnappe mir eine Tüte von verteile mit. Die anderen Verteile sind ebenfalls gut unterwegs, obwohl es für zwei im Team das erste Punktspiel am Millerntor ist.

Überall pustende Sitzer. Gut. Da sind noch drei Reihen ohne Ballons. „Ey Luftballons, fang“, brülle ich in Richtung eines Mitzwanzigers in Braun-Weiß. Er nickt. Wurf. Er rührt sich nicht, und das Ballontütchen klatscht ihm mitten ins Gesicht. „Für die Choreo“, rufe ich. Schnell weg. Ich muss jetzt eh zu meinem Doppelhalter.

Ein paar Sekunden später schiebe ich mich durch die Menge auf den Stehplätzen. Mein Doppelhalterpartner ist schon da, und ich bin keine Minute zu früh. Wir halten das Teil so hoch es geht. Die ersten Glockenschläge von Hells Bells. Wie war das noch mal mit dem Wenden? „Jetzt?“, rufe ich meinem Partner zu. Der überhört das Fragezeichen und setzt sich – gemeinsam mit mir -in Bewegung – eine halbe Minute zu früh, wie man später auf Youtube wunderbar sehen kann.

Dann der Anpfiff. Die Luftballons, ein paar davon mit Gas gefüllt, fliegen hoch. Wir bauen den Doppelhalter ab. Ich grinse breit. Alles gut. Für mich ist das Spiel schon gelaufen...

Für die Mannschaft fing es gerade an. Und wie. schon nach drei Minuten fälschte der Ex-Rostocker Gledson einen Schuss von Kruse ins FSV-Tor ab. 1:0 für den magischen FC. Da unsere Elf weiter ordentlich Gas gab, entspannte sich die Stimmung auf den Rängen erstmal. Es ist ja auch schwer, am Sonntagmittag die Spannung über 90 Minuten zu halten. Die Nordkurve supportete ganz ordentlich (auch wenn es im Forum auch eine andere Stimme gab. Erst recht als Dennis Naki auf 2:0 erhöhte. Danach schaltete die Mannschaft auf den Ergebnisverwaltungsmodus, und die Ränge hatten vor und nach der Pause genug Zeit für Wechselgesänge. Endlich klappte auch mal ein Wechselgesang mit der Gegengerade und sogar mit der Haupttribüne über den Gästeblock hinweg, in dem diesmal allerdings nur einige Pkw-Ladungen FSVer Aufstellung genommen hatten. Super auch der eigene Gesang des Haupttribüne-Außenblocks. Wenn dort nicht irgendwer größere Kontingente an Gästefans verkauft (wie gegen Düsseldorf), kommen die Oldtras & Co. richtig gut zur Geltung. In der Schlussphase war dann in der Nordkurve mehr Action als wir uns gewünscht hätten. Das lag daran, dass der FSV immer offensiver agierte und verdientermaßen den Anschlusstreffer schaffte. Danach war zittern angesagt - und der neue Publikumsliebling Philipp Tschauer hatte noch wirklich Schwerstarbeit zu verrichten, bevor das 2:1 feststand. Apropos Tschauner: Ich habe das Gefühl, dass er wirklich gern in die Kurve kommt. Und auch der Rest der Mannschaft weiß den Support sichtlich zu schätzen und kommt gern in den Norden, um sich bei den Fans zu bedanken.

PS: Schöne Fotos und einen Text gibt es auch auf : http://kleinertod.wordpress.com/2011/10 … r-der-jhv/