Stille Nacht des Randalemeisters

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Mann, Mann zwei Tage noch bis Weihnachten, und ich bekomme noch immer kaum einen Ton heraus. Die Stimme ist weg. Schuld an der Misere ist ausgerechnet der FC St. Pauli, der das Jahr mit einem 2:0 gegen den Meisterschaftsfavoriten Eintracht Frankfurt beendete.
Für die Fans aus der Nordkurve am Millerntor ist das Gastspiel der SGE eine der großen Herausforderungen der Zweitligasaison. Der Auswärtsmob des selbsternannten Randalemeisters bringt auch an einem zugigen Montagabend abend die Maximalzahl an Gästefans mit - und kann richtig laut werden.
In der eigenen Kurve niedergesungen werden, da hat natürlich niemand Bock drauf, und entsprechen motiviert kam ich ans Millerntor. Damit war ich nicht alleine, schon vor der Partie war im Heimbereich ein gewisses Knistern zu spüren. Und das, obwohl die meisten Fans so nüchtern waren wie ein Methodistenpfarrer und angewidert einen großen Bogen um das alkoholfreie Bier machten, das uns zu diesem Sicherheitsspiel kredenzt werden sollte.
Knisternd auch der Spielbeginn. Zum Jahresende leuchtete die Nordkurve im Licht von vielen hundert Wunderkerzen. Die größten Wunderkerzen hatten allerdings erwartungsgemäß die Eintracht-Fans dabei, die ihnen eine väterliche Ermahnung des Stadionsprechers und dem Verein eine satte Lastschrift des DFB einbringen dürfte.

Ansonsten gab es in der Nordkurve "Waffengleichheit" zwischen Heim- und Auswärtsfans. Den Gästen waren gemäß den St. Pauli-Regeln alle Fanutensilien, sogar Megaphone und Trommeln verboten worden. St.-Pauli-Regeln bedeuten: Den Gästefans wird grundsätzlich alles erlaubt. Bei Verstößen gegen die Stadionordnung wird bei den nächsten Auftritten jedoch alles verboten. Und da die Frankfurter bei ihrem letzten Auftritt hier in der Bundesliga-Saison die Verbotsliste sauber abgearbeitet hatten, mussten sie diesmal sogar ihre Fahnen am Main lassen.

Auf dem Spielfeld hatte die SGE Vorteile, auf den Tribünen machten die St. Pauli Fans Dampf. Gerade die Nordkurve hängte sich nach den gefühlten Schweigeminuten im Regenspiel gegen Dynamo Dresden richtig rein. Routinemäßig scheiterten wir an den filigranen Supportbestandteilen wie "Thats the way, ahah ahah, we like it" , aber das Aux Armes und die St. Pauli-Rufe kamen laut und aggressiv wie lange nicht mehr.
Nach dem 1:0 durch Fabio Morena wurden unsere Blocknachbarn aus der Bankenmetropole zunächst laut, dann aber etwas mürrisch und schließlich kaum noch zu hören. Nach der Pause dann die häßlichste Szene des Spiels: Vor einer Ecke ging der Frankfurter Pirmin Schwegler zu Boden. Aus der Nordkurve war es unmöglich zu sehen warum, aber wie der Stadionsprecher mitteilte, war er von einem Gegenstand getroffen wurden, der von den Zuschauerrängen geworfen wurde.
Im St. Pauli-Forum wird erbittert und teilweise polemisch über den Wurf diskutiert. Deshalb an dieser Stelle nur so viel: Würfe mit Bierbechern, Kassenrollen etc. auf andere Menschen sind scheiße - egal ob auf Schiris, Spieler oder Fans. Aber es zeugt auch nicht von Fairness, sich in solchen Fällen mit Strafforderungen gegen den Werfer zu überbieten, ohne auch nur die genauen Umstände zu kennen.
Zurück zum Spiel: Frankfurt kam immer stärker auf, und der Ausgleich schien eher eine Frage der Zeit zu sein. Nord-Publikumsliebling Philipp Tschauner musste ein paarmal alles zeigen, und die Nordkurve machte genug Lärm fur ein ganzes Stadion. Das irre Kontertor von Kruse nach Vorarbeit von Bartels war eine Befreiung. Gezittert haben wir trotzdem bis zum Schluss. Typisch für die Gefühlsachterbahn: Kurz vor Ende verletzte sich der Held des Tages, Philipp Tschauner. Er spielte mit Schultereckgelenksprengung die Partie zuende, um dann vor Schmerzen heulend in der Kabine zu verschwinden.
Das Spiel ist eine der St. Pauli-Geschichten, über die man noch lange sprechen wird. Ich kann das nicht. Ich bin zu heiser.