Hoffentlich Seite an Seite

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Was hätte man schon groß schreiben können über das 0:0 gegen Eintracht Braunschweig. Meckern über die Aufstellung des Magischen FC ohne Stürmer. Klagen über den blutleeren Support auf den Tribünen und in den Kurven. Bewunderung ausdrücken für die geniale Choreo auf der Süd, und ein bisschen Selbstironie über den Versuch, eine große Schwenkfahne von den Sitzplätzen aus zu zeigen – was grandios an der Höhe des Tribünendachs scheiterte. Vielleicht noch die 400 Celtic-Fans erwähnen, die uns am Millerntor besuchten. War es das? Ja das wars.

Aber das ist auch alles nicht mehr wichtig. Wichtig ist: Der DFB will 5800 Fans aus der Nord- und der Südkurve für ein Spiel aussperren. Der Teilausschluss ist die Reaktion des DfB-Sportgerichtes auf den Wurf einer Kassenrolle, mit der ein 20jähriger Fan aus Versehen den Frankfurter Pirmin Schwegler traf, ohne ihn zu verletzen. Der Werfer stellte sich, ist geständig und trat vor dem Frankfurter Sportgericht als Zeuge auf. Genützt hat das wenig. Der Teilausschluss wegen mangelndem Schutz des Gästeteams kostet den FC St. Pauli über 70000 EUR und liegt damit nur unwesentlich unter der Höchststrafe von 100000 EUR, die die Rechtsordnung des DFB für diesen Sachverhalt vorsieht. Eine verständliche juristische Würdigung ist im Blog magischerfc.de zu finden.

Was aber fassungslos macht: Wie kommt der DFB dazu, 5799 Fans mitzubestrafen, die nicht gegen die Stadionordnung verstoßen haben? Darf es so etwas in einem Rechtstaat geben? In seiner Begründung räumt der DFB-Richter Lorenz ein, dass der Wurf offenbar ein Versehen war. Ungewollt liefert der DFB-Kontrollausschussvorsitzende Anton Nachreiner, als der Ankläger, die Erklärung. Er sieht die Basis des Fehlverhaltens in der Fankultur des FC St. Pauli. Es sei der dritte Vorfall dieser Art innerhalb weniger Monate.

Das macht es klar: Es geht hier nicht um den Einzelfall, sondern um die Abrechnung mit einer dem DFB nicht genehmen Fanszene, die diszipliniert werden soll. Wenn etwas dran sein soll an dem Vorwurf, dann müsste die Fanszene des FC St. Pauli mehrheitlich oder zumindest teilweise einverstanden damit sein, dass mit Gegenständen auf gegnerische Spieler, Offizielle oder die Schiedsrichter geworfen wurde. Wer die Diskussion im Fanforum des FC St. Pauli verfolgt hat, dem fällt auf: Dies ist nicht der Fall. Die Würfe wurden einhellig verurteilt. Gestritten wurde lediglich über das Strafmaß, wobei sich viele Fans gegen Existenz gefährdende Strafen für die Werfer aussprachen. Zustimmung für die Werfer oder gar Beifall gab es hingegen nicht.

Strafe ohne Verschulden bedeutet Willkür. Warum werden beispielsweise ausschließlich Stehplatzinhaber bestraft? Es liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Klassenjustiz handelt – oder wäre jemand beim DFB ernsthaft auf die Idee gekommen, die Business Seats zu sperren, weil der Becherwerfer aus dem Schalke-Spiel auf der Haupttribüne saß?

Wie geht es jetzt weiter? Erhebt der FC St. Pauli keinen Einspruch gegen das Urteil, tritt es bereits beim nächsten Heimspiel gegen den KSC in Kraft. Die Stehplätze in der Nord- und der Südkurve (außer Gästeblock) blieben leer. Legt unser Verein Einspruch ein, landet der Fall vor dem DFB-Bundesgericht. Genau dies sollte der Verein auch tun: Er darf sich nicht in ein Urteil fügen, das 5800 Fans unverschuldet aussperrt. Ein Bruch zwischen Fanszene und Verein wäre die Folge.

Auch die Fanszene wird sich dieses Urteil auf keinen Fall bieten lassen. Auf welche Art protestiert werden soll, wird jetzt in den Gruppen diskutiert. Es ist zu hoffen, dass sich auch die Fans auf den Stehplätzen der Gegengerade und den Sitzplätzen den Protesten anschließen. Wer mag sich schon ein Fußballspiel anschauen, wenn rund ein Viertel der Fans unverschuldet nicht ins Stadion dürfen. Eine solche Haltung wäre ein Einknicken vor der Willkürherrschaft eines Verbandes, dem Rechtstaatlichkeit und Fanrechte einen Dreck bedeuten. Beim Unrecht wegschauen und lieber das Spiel glotzen – unvorstellbar und einfach nicht St. Pauli-like.

Wer mit uns über dieses Urteil sprechen will, ist herzlich dazu eingeladen. Die nächste Möglichkeit dazu ergibt sich am Donnerstag während der Nordvernetzung (19.30 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2). Ansonsten sehen wir uns beim Heimspiel gegen den KSC – im oder vor dem Stadion, aber hoffentlich Seite an Seite.