Zebras zugeritten

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Zunächst die obligatorische Entschuldigung. Ich bin wieder spät dran mit dem Bericht. Aber wie sollte es auch Dienstag mit einem Spielbericht klappen, wenn am Montag erst um 22 Uhr das Spiel vorbei ist und danach gekühltes Siegerbier wartet? Daher sitze ich jetzt am Mittwoch früh am Rechner und beeile mich einen Artikel zu schreiben ohne dass es der Chef bemerkt. Dann mal fix ran:

Duisburg

Eigentlich hätte es heute „Stadtteilklub gegen Stadtteilklub heißen müssen. Doch nachdem der Meidericher SV vollends den Duisburger FV verdrängt hatte, entschied man sich irgendwann aus Meidericher SV den MSV Duisburg zu machen.

Bald wurde das Zebra fest an das Vereinswappen gesetzt, ein fettes Stadion gebaut und fertig war der Stadtverein der mit viel Image die erste Liga rockt. Nun, nicht ganz. Trotz einer recht eigenwilligen aber einzigartigen Fangemeinschaft, schafft es der Verein nicht das Stadion voll zu machen. An den Großen wie Schalke, BvB, Köln und Gladbach kommt man trotz guter Ambitionen seit Jahrzehnten nicht ran. Auch der gewünschte Stammplatz in Liga eins scheint in immer weiterer Ferne zu rücken. Selbst Bochum und Düsseldorf sind mittlerweile in allen Belangen an die sog. Zebras vorbeigezogen. Und zu guter Letzt hat der Ruhrpottverein einen ordentlichen Fehlstart hingelegt. Aber heute sollte mit St Pauli der ultimative Aufbaugegner seine Arbeit machen, oder?

 

Aufbaugegner. Ja, das kennen wir alle. Es läuft gut - und dann kommt ein FCK der in die Versenkung zu verschwinden droht, ein FSV Frankfurt der kurz vor Weihnachten noch keinen Sieg eingefangen hat,...Gleichzeitig könnte St Pauli auf einem Aufstiegsplatz rutschen, die Liga hinter sich lassen… Punkt-Punkt-Punkt? Ihr wisst es: es geht immer anders aus. Statt 3. Liga nach der fetten Niederlage kurz vor Schluss für die Pfalz schaffte Kaiserslautern den Klassenerhalt und stehen die nun eine Liga über uns. FSV Frankfurt schaffte nach dem 1:0 Weihnachtsgeschenk die Kehrtwende und darf nach 50 Jahren gegen die Eintracht verlieren. Und ich latsche bekümmert durch diese Gedanken die Gegengerade entlang und stopfe nervös den Übersteiger mit dem Bild der evtl. nächsten Gegengerade ins Stadion und denke „Das wird nix!“
Erst kurz vor Anpfiff stellte ich mich an den Zaun. Der AFM Container hatte geile Musik aufgelegt. Turbonegro, Therapy?, SOAD, … dazu viel Bier und mit sinkender Sonne wurde es immer lauter auf der Nordkurve. Das Spiel hatte noch gar nicht angefangen und nicht alle waren drin weil doch recht viele von der Arbeit kamen. Dann das Aux Armes. Der Hammer! Vor zwei Jahren war das noch nicht so möglich. da standen die Leute in der Nordkurve noch recht verwirrt herum und überlegten, ob sie den 10 Minütigen Supportboykott zum Protest gegen die Anstoßzeiten mittragen oder gegenansingen sollten. Heute war ich einfach froh, dass wir uns alle von dem ernsten Thema freimachen konnten und einfach nur das Spiel genießen konnten.
Ich stand nicht wie üblich in der Mitte unseres Blockes sondern nah beim Zaun. Für mich war es die richtige Entscheidung, denn so konnte ich die Stimmung richtig genießen? Sind wir immer so laut? Ja, Eigenlob stinkt, aber heute müffle ich gerne, denn die Nordkurve ging gewaltig ab. Es war durchgehend Gesang zu hören, mal leiser, mal lauter und dann schwappte er manchmal noch mal durch die ganze Kurve/das ganze Stadion – der Roar. Und mit Blick auf die Südkurve kann ich nur sagen, dass wir es auch mit den Sitzplätzen am besten getroffen haben. Ist der Unterschied was die Stimmung betrifft nirgends so groß wie in der Süd (3000 Menschen im Stehplatzbereich hüpfen 90 Minuten, 2000 (?) Sitzen im oberen Bereich und bewegen sich höchstens zum Bierholen und Pissen), scheint es vor allem bei uns ein fließender Übergang zu sein. Das Fußgetrappel von unseren Sitzern ist nun fester Bestandteil unserer Atmosphäre. Immer wieder sehe ich Leute stehen und anfeuern, mitklatschen und singen. Einfach schön. Das musste gesagt werden.
Der Hammer war dann die letzte viertel Stunde. Ich glaube Schubert, dass er so beeindruckt war, denn auch ich hatte Gänsehaut. Und die hat mich bis heute früh nicht verlassen.

Und nun zum Spiel. Da Ihr wahrscheinlich, wie ich, schon diverse Spielberichte gelesen habt, werde ich dieses Mal ein wenig von der Chronologie abweichen und eher allgemein meine Eindrücke erzählen.
In der Zeit vor Stani war St Paulis Taktik hauptsächlich auf Kampf ausgelegt. Doch Kämpfen hat mit modernem Fußball nichts zu tun. Und so wurde unserer Mannschaft von Stani das Kämpfen abgewöhnt. Erfolgreich wurde technischer Fußball gespielt. Und dennoch spuckte ich Pech und Galle bei jedem Rückstand, denn hier fehlte mir das Aufbäumen, das Gegenanrennen und Beissen. Aktuelle Diskussionen über Teamleader und Einheitsspieler, Laufkraft usw. zeigen aber, dass mal wieder der Fußball in Deutschland zu extrem in eine Richtung gegangen ist. Um es platt zu sagen: Dem Fußball fehlt es an Eier. Unter Schubert entwickelt sich die Mannschaft immer mehr in die richtige Richtung. Gegen Duisburg hat man gesehen, dass es zwar immer wieder nervige Fehler und Ungenauigkeiten gab, aber dieses durch Laufbereitschaft und das Kämpfen um jeden Ball mehr als ausgeglichen wurde. Da lagen unsere Spieler auf den Boden und ließen nicht davon ab, die Pille zu beackern. Ging der Ball im Angriff verloren, wurde zurückgestratzt, um den Konter zu verhindern. Da wurde mutig aufs Tor geballert. Und nicht eine Minute hatte ich den Eindruck, dass sich einer hängen ließ.
Und obwohl ich hier so den Kampf hervorhebe, ist es nicht so, dass sich unser Spiel nur auf Kraft und Einsatz stützt. Einige Macken aus den letzten Jahren wurden abgestellt, (Torpfosten werden jetzt z.B. bei Ecken abgedeckt. Rückwärtsbewegung ist jetzt vorhanden). Wenn unsere Jungs nur noch die Fehlerquote reduzieren, die aus der schnellen Spielweise resultiert, sind wir wieder erstklassig. Aber schon jetzt stehen wir zu Recht ganz oben.
Und Bartels Tor war der Hammer!