Nie mehr Hansa Rostock

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Darauf hatten sich alle gefreut: Im ausverkauften Millerntorstadion den ungeliebten Nordrivalen Hansa Rostock mitsamt seinem assigen Anhang in die Dritte Liga zu schießen – und die selbsternannten Krieger von der Ostsee mit dem passenden Liedgut in die Bedeutungslosigkeit zu verabschieden. Doch der dafür prädestinierte Gassenhauer „Nie mehr Hansa Rostock“ bekam schon im Vorfeld der Partie eine ganz andere, unerwünschte Bedeutung. Erstmals in der Geschichte des bezahlten Fußballs verbot die Hamburger Polizei dem FC St. Pauli, den Gegner mit Gästekarten zu versorgen. Unser Verein klagte , doch die Polizei fand sowohl am Verwaltungsgericht als auch am Oberverwaltungsgericht Richter, die es nicht zu beanstanden fanden mehr als 2500 Fußballfans unter fadenscheinigen Sicherheitsargumenten die Reise nach Hamburg zu verbieten. Was sich weder die Rotocker Fans noch der St. Pauli Anhang gefallen ließen. Erstere meldeten für den Spieltag eine Demonstration in Hamburg an.

 

In der St. Pauli-Fanszene sah man zwar wenig Bedarf an Solidarität für die Rostocker, die uns im Hinspiel unter dem Gejohle des halben Stadions mit Leuchtraketen beschossen hatten. Doch ebenso wie der Verein erkannte ein großer Teil des braun-weißen Anhangs den Sprengstoff hinter dem Urteil. Andere Polizeidirektionen könnten auf die gleiche Idee kommen, sich die Gästefans vom Hals zu schaffen. Und der FC St. Pauli mit seinem polizeikritischen Anhang wäre ein bevorzugtes Ziel für diese Maßnahme. Vor diesem Hintergrund entschloss sich USP, die Partie gegen Hansa zu boykottieren und stattdessen auf dem Südkurvenvorplatz zu demonstrieren. Zahlreiche Gruppen und Fanclubs schlossen sich an, darunter auch die größte Teil von Nord-Support. Der Rest beschloss im Stadion zu protestieren. Unsere Kurvenzeitung Wetterseite widmete sich komplett der Verbotsverfügung der Polizei und der Fanproteste. Transparente wie „Polizeistadt HH“ und „Freiheit für die Kurven“ machten das auch optisch deutlich, ein weiteres Transpi wünschte der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die Benutzung der sanitären Anlagen. Draußen schlossen sich die Nord-Supportler zunächst einem von USP initiierten Trauerzug an, mit dem die Fankultur plakativ zu Grabe getragen wurde. Danach lauschten sie der Party im Afm-Radio, was verdammt hart war. Drinnen unterschied sich das Bild der Fanszene deutlich von dem normaler Spiele. Viele Fans hatten zu viel schlechte Zeitung gelesen und kamen aus Angst vor versprengten Rostockern oder Schikanen der Polizei ohne Fanutensilien ins Stadion – eine eher überflüssige Vorsichtsmaßnahme.

Gut zu erkennen waren auch einige Gäste aus Rostock, die in Zivil, aber mit Bürstenschnitt, bedruckten Jeans und unstetem Blick den Eingangsbereich passierten. Einige Herren mit beträchtlicher Konfektionsgröße hatten sich sogar mit Celtic-Trikots ausgestattet, um unerkannt ins Stadion zu kommen. Kurz vor Spielbeginn sammelte sich eine kleine Gruppe von Gästefans, die es irgendwie geschafft hatte, im Block N5 und ließ sogar von sich hören. Vor  Anpfiff kreisten viele Transpis durch Stadion. Ein paar Beispiele „Gerstensaft statt Sippenhaft“, „Ticketcenter Davidwache“ und geschickt aneinandergereihte Bilder von Spinnen, Bullen und Schweinen.

Das Spiel gewann der FC St. Pauli relativ locker mit 3:0 (zweimal Ebbers, einmal der Ex-Rostocker Bartels).

Wie war die Stimmung ohne USP, Nord-Support und andere aktive Gruppen? Das ist sicherlich die unwichtigste Frage an diesem Tag. Draußen ging es zunächst ähnlich friedlich zu. Zerstreuung bot ein lebensmüder Nazi, der seine Thor-Steinar-Jacke auf dem Südkurvenvorplatz spazieren führte, dann aber die Unangemessenheit seiner Bekleidung einsah und die Jacke für ein kleines Lagerfeuer spendierte. Kurz vor dem 3:0 waren aus Richtung Pferdemarkt Explosionen von Böllern zu hören. Daraufhin setzten sich Polizeikräfte in diese Richtung  in Bewegung. Teile der Fans befürchteten, dass die Ordnungskräfte dem Jolly Roger erneut einen Besuch abgestatten wollten und machten sich auf den Weg dorthin. Etwa um diese Zeit soll eine kleine Gruppe, die nicht vom Südkurvenvorplatz gekommen sein kann, die Polizei mit Steinen beworfen haben. Konsequenz: Das Jolly Roger wurde durch die Polizeikräfte eingekesselt, die gegenüberliegende Straßenseite ziemlich brutal mit Hilfe von Wasserwerfen geräumt. An den Rändern der Absperrung in der Budapester Straße kam es zu Scharmützeln zwischen Polizei und Fans, die verlangten, zum Jolly durchgelassen zu werden. Mindestens zwei Personen wurden durch Pfefferspray verletzt, darunter eine junge Frau.
Für die Fans vor dem Jolly stellte sich die Lage vergleichsweise komfortabel dar. Schließlich war man mit kistenweise Bier festgesetzt worden. Lieder über das schlechte Verhältnis zwischen ganz Hamburg und seiner Polizei vertrieben Fans und Beamten gleichermaßen die Zeit. Auch Gesänge über das negativ reziproke Verhältnis zwischen  der Größe der Schlagstöcke der Polizei und der Ausprägung der primären Geschlechtsmerkmale der Ordnungshüter waren zu hören. Beleidigt wurde niemand. Schließlich ist seit dem Schweinske-Cup allgemein bekannt, dass ein Hamburger Polizist so gut wie nicht hört, so lange er den Helm aufhat.

Fazit der Proteste: Sowohl die Fanszene des FC St. Pauli als auch die von Hansa Rostock hat deutlich gemacht, dass sie sich eine Einschränkung ihrer Fanrechte nicht widerstandslos gefallen lassen wird. Zur Begleitung der Proteste musste die Poizei mehr Beamte einsetzen als es bei einem normalen Spielverlauf der Fall gewesen wäre. Die Verfügung zum Verbot des Verkaufs von Karten erwies sich als Eigentor und unnötige Verschwendung von Steuergeldern. Die Einrichtung einer Gefahrenzone rund um das Millerntor war sicher ebenfalls als Fehler. Gewalt konnte damit nicht verhindert werden.

Negativ ist, dass einige Leute die Proteste ausnutzten um eine Reihe völlig blödsinniger Übergriffe zu begehen. Dazu zählen neben den Steinwürfen der Überfall auf die HSV-Fankneipe Tankstelle, der weitere Gewalttaten gegen St. Pauli-Fans und -Einrichtungen auslösen wird. Besonders hirnlos sind Angriffe auf die Polizei in unmittelbare Nähe des Fanladens, die dessen Status als geschützter Raum für Fans gefährden.