Süßliche Schwaden, herbe Düfte

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Dass viele Wege nach Rom führen, ist ja bereits sprichwörtlich. Aber wie viele Züge nach Cottbus fahren, ist schon erstaunlich. Denn eigentlich gibt es keinen einzigen guten Grund, dass Kaff an der polnischen Grenze zu besuchen – es sei denn, man ist strapazierfähiger Anhänger eines Fußball-Zweitligisten. Genau aus diesem Grund machte sich eine kleine Abordnung von Nord-Support auf den Weg in die Lausitz, wo der FC Energie den magischen FC empfing.
Über das Ziel herrschte also Einigkeit, nicht jedoch über den Weg ans Ende Deutschlands. So machten sich gleich drei verschiedene Gruppen per Bahn auf. Die zwei härtesten Typen schlossen sich dem Hauptmob an, der um 2:30 Uhr  mit dem Assi-Ticket die Regionalexpresse im Osten testen wollte. Ein weiteres Grüppchen stieg gegen 6  Uhr in den ICE und stieß dann in Berlin zum Hauptmob.

Die Fraktion der Weicheier nahm erst nach 7 Uhr den Eurocity in Richtung Krakau und sparte sich damit sogar das Umsteigen. Die Wahl hatte jedoch durchaus ihre Tücken. Im nur vier Wagen langen Zug der polnischen Staatsbahn PKP fielen im Viertelstundentakt die Toiletten aus.
Auch die Sicherheitslage unterschied sich je nach Zug. Der Hauptmob musste ab Berlin-Spandau die Begleitung der Trachtengruppe ertragen. Im Eurocity sorgte hingegen eine resolute Schaffnerin für Ruhe und Ordnung. „Sauf nicht so viel, sonst kriegst Du nichts vom Spiel mit“, ermahnte sie einen St. Paulianer, der schon in Berlin mit einer Fahne eingestiegen war, die einen Orang-Utan aus 15 Meter Entfernung vom Baum gehauen hätte. Der Gerüffelte zog sich folgsam in eine der beiden verbliebenen Bordtoiletten zurück, aus der kurz darauf süßlich durftende Schwaden hervordrangen.
Die natürlich stocknüchternen Nord-Supportler wurden hingegen freundlich kontrolliert und mit einem „Ein schönes Spiel“ verabschiedet. „Ach das ist nicht so wichtig. Wir sind nur wegen der Gewalt da“, lautete unsere höfliche Antwort, die einen strengen Blick nach sich zog.
Erfahrungsgemäß sind Auswärtsspiele in Cottbus nicht so der Burner. Was aber zumindest in der Vorsaison für Unterhaltungswert sorgte, war der Auftritt von 1100 Polizisten, die sich in einer vollkommen friedlichen Atmosphäre dank anarchischem Einsatzkonzept überwiegend selbst im Weg standen.
Reichlich Polizei gab es auch diesmal, allerdings nur für die RE-Fahrer, die standesgemäß im Wanderkäfig zum Stadion der Freundschaft verbracht wurden. Alle anderen Auswärtsfans wurden bei Rot über die Straße gewinkt und genossen weitgehende Bewegungsfreiheit, die zu einem regen Pendelverkehr zwischen den Schnapsladen am Bahnhof und dem Stadion führte, wo das Verkaufspersonal vergeblich auf Kundschaft für das alkoholfreie Bier wartete.
Einem Bundespolizisten schien die extrem niedrige Verhaftungsquote zu nerven. Jedenfalls trat er auf Passagiere aus dem EC zu und fragte, worum sie sich nicht für das Wocheendticket entschieden hätten. Eine niedliche Fangfrage, denn das WE-Ticket gilt nicht für den stolzen Fernzug, der nunmehr  ohne nutzbare Toiletten weiter nach Polen dampfte. „Aber Herr Oberkommissar, das wissen sie doch wohl selber“, lautete die gutmütige Antwort.
Am Stadion trafen sich dann alle Nordsupportler und sahen sich zusammen die heftige Auswärtsklatsche der Braun-Weißen an. Trotz der dürftigen Leistung stimmte der Support – sowohl für die Mannschaft als auch für die Stadionverbotler, die mehrfach mit einem lautstarken „ Diffidati con noi“ gegrüßt wurden. Eine Choreo erinnerte an die Pogrome vor 20 Jahren in Rostock-Lichtenhagen.
Trotz der sich schnell abzeichnenden Niederlage war die Stimmung im Block gut – unterbrochen von dem Einsatz eines übereifrigen Ordners, der ein missliebiges Banner von der Bande vor dem Sitzblock entfernen wollte. Umstritten war, ob er dem Werbepartner zu seinem Recht verhelfen wollte – oder ob er sich an einem Roten Stern störte.
Am Ende gab es sogar Applaus für die Gastgeber, die aus sicherer Entfernung in die Gästekurve grüßten, und die eigene Elf, die sich merkwürdigerweise auf nicht viel näher in Richtung der mitgereisten Fans bewegte. Das fehlte es wohl nach dem harten Kampf an der Kondition – hoffe ich.
Gegen Schluss wurde auch in der Kurve der Heimfans ein  Solidaritätstranspi für einen Stadionverbotler namens Ratte gezeigt. Worauf auch unsere Kurve ein letztes Diffidati con noi“ anstimmte. Hoffentlich hat Ratte sein SV nicht für das Klatschen von Zecken oder das Tragen einer Thor-Steinar-Jacke bekommen.
Auf dem Rückweg erwischten wir ausgerechnet wieder unseren Eurocity. Einzelne Klos waren theoretisch wieder nutzbar, aber dafür vollgekotzt. Kleiner Aufreger noch beim Umsteigen in Berlin. Mehrere SMS warnten für rumlungernden BFC-Hools und rieten zu neutraler Bekleidung. Nicht so einfach, wenn man gerade in vollem Fanornat durch den Bahnhof latscht. Die einzigen sportlichen Gestalten, die wir sahen, trugen jedoch braun-weiße Trainingsanzüge: Unsere Mannschaft beim Warten auf den ICE mit funktionierenden 1.Klasse-Toiletten.